Rentenreform dringend Notwendig

Unser Rentenexperte Johannes Vogel hat am Samstag, 20. September in Waiblingen die dringende Notwendigkeit einer Rentenreform in Deutschland angesprochen. Vogel argumentiert, dass die aktuellen Pläne der Regierungskoalition das System weiter destabilisieren würden, was er insbesondere an der drohenden Erhöhung der Sozialabgaben auf bis zu 50 % festmacht. Als Lösung präsentiert Vogel detailliert das Konzept der Aktienrente nach schwedischem Vorbild, welches er als einzige Möglichkeit sieht, das Rentensystem generationengerecht und langfristig finanzierbar zu gestalten, wobei er auch auf die politischen und gesellschaftlichen Widerstände gegen dieses Kapitaldeckungskonzept eingeht.
Die 50-%-Falle: Warum Deutschlands Rentenpläne unsere Zukunft gefährden
Die Debatte über die Zukunftssicherheit unserer Rente ist so alt wie brisant. Doch während öffentlich über kleine Stellschrauben gestritten wird, bahnt sich im Maschinenraum des Systems ein fundamentaler Bruch an. Es geht nicht mehr nur um Rentenpunkte oder das Eintrittsalter; es geht um die Frage, ob unsere Demokratie in der Lage ist, über die nächste Legislaturperiode hinaus zu denken. Die Analyse des FDP-Rentenexperten Johannes Vogel legt offen, dass die aktuellen Pläne nicht nur mathematisch unhaltbar sind, sondern auch ein fatales Zeugnis politischer Kurzsichtigkeit darstellen – eine strategische Schwäche im globalen Wettbewerb der Systeme. Dieser Artikel fasst seine fünf wichtigsten und zugleich beunruhigendsten Erkenntnisse zusammen.
Die tickende Zeitbombe – Warum wir auf 50 % Sozialabgaben zusteuern
Die aktuellen Rentenpläne der Regierung werden die Gesamtsozialversicherungsabgaben unweigerlich in Richtung 50 % treiben. Diese Prognose ist keine Panikmache, sondern die kühle Berechnung von Wirtschaftsweisen wie Professor Martin Werding. Zu der bereits bestehenden Rekordsteuerlast käme damit eine Belastung hinzu, die für die arbeitende Mitte und die junge Generation kaum noch zu tragen wäre.
Damit riskiert die Politik das Erreichen eines sogenannten „Kipppunkts“. Vogel beschreibt die Gefahr einer „Abwärtsspirale“: Wenn die Abgabenlast erdrückend wird, könnten sich junge Leistungsträger durch Auswanderung oder Schwarzarbeit dem System entziehen. Dies würde die Einnahmen der Sozialkassen weiter schwächen, was wiederum noch höhere Abgaben erforderlich machen würde – ein Teufelskreis.
Das kontraintuitive, aber entscheidende Argument ist, dass diese Politik nicht nur die Jungen trifft. Sie sägt in Wahrheit an dem Ast, auf dem die heutigen Rentnerinnen und Rentner selbst sitzen. Ein instabiles System, dem die Beitragszahler davonlaufen, kann auf Dauer niemanden mehr sicher versorgen.
Kluge Wissenschaftler haben das mal Kipppunkte in der Sozialpolitik genannt. Wir kennen diese Diskussion über Kipppunkte in der Klimapolitik, wenn irgendwas ins Rutschen gerät und dann gar nicht mehr aufzuhalten ist. Glaube, das kann auch in der Sozialpolitik passieren. […] dann entsteht eine Abwärtsspirale, dann sind noch weniger Einnahmen in den Sozialkassen da, da müssen die Abgaben noch höher treiben, dass stärkt den Prozess weiter und dann passiert etwas, was uns klar sein muss, dass es nicht mehr nur um die Jungen geht, sondern dass dann auch diejenigen leiden, die auf die gut gefüllten Sozialklassen ein angewiesen sind, nämlich die Rentnerinnen und Rentner.
Die große Illusion – Unser Rentensystem hat keine Reserven
Johannes Vogel nutzt ein einfaches Gedankenexperiment, um die grundlegende Schwäche des Systems zu verdeutlichen: Was würde passieren, wenn morgen alle aufhören würden, in das Rentensystem einzuzahlen?
Die schockierende Antwort lautet: Die Renten könnten nur noch für einen einzigen Monat ausgezahlt werden.
Dies widerlegt die weit verbreitete, aber falsche Annahme, dass die eigenen Beiträge für einen selbst angespart werden. Die Realität ist das sogenannte „Umlagesystem“: Das Geld, das heute eingezahlt wird, wird sofort wieder für die Renten der heutigen Pensionäre verwendet. Es wird nichts angelegt. Dieser Mechanismus funktionierte, als es viele junge Einzahler und wenige Rentner gab. In Zeiten des demografischen Wandels ist dieses System mathematisch nicht mehr nachhaltig. Selbst der SPD-Politiker Franz Müntefering brachte es einst auf eine einfache Formel: „Um das zu kapieren, muss man wirklich nicht Mathematik studiert haben, da reicht Grundschule Sauerland.“
Der politische Tunnelblick – Warum die Zukunft auf später verschoben wird
Diese kurzsichtige Haltung wird erst durch die große Illusion aus dem vorherigen Punkt möglich. Weil viele in der Politik die Realität des Umlagesystems nicht verinnerlicht haben, glauben sie, die Probleme auf später verschieben zu können. Ein Kernproblem ist laut Vogel der politische Unwille, in Jahrzehnten statt nur in Legislaturperioden zu denken. Die drängenden Probleme werden ignoriert, weil ihre schlimmsten Auswirkungen erst nach der nächsten Wahl spürbar werden.
Dieses Denken wird durch ein Argument verdeutlicht, das Vogel hinter den Kulissen gehört hat:
Boah Johannes du mal mit deinen Horrorvision 50% Sozialabgaben diese werigenzahlen, die du da zitierst, mach doch die Leute verrückt. Da reden wir doch über die 2040er Jahre. Ist doch weit weg.
Vogel macht diesen Punkt greifbar, indem er auf seine damals einjährige Tochter verweist. Für ihre Generation sind die 2040er Jahre keine ferne Zukunft, sondern die Realität ihres gesamten Berufslebens. Diese Politik des „Fahrens auf Sicht“, perfektioniert von Angela Merkel und nun von Friedrich Merz kopiert, ist laut Vogel eine strategische Schwäche im „Systemwettbewerb“ mit Autokratien. Er berichtet von Kontakten zur Kommunistischen Partei Chinas, die offen argumentieren, Demokratien seien unterlegen, weil sie gezwungen seien, kurzfristige „Wahlkampfgeschenke“ zu machen, während autoritäre Regime strategische Weitsicht für sich beanspruchen.
Die schwedische Lösung – Ein bewährtes Modell, das bei uns als „Zockerei“ gilt
Dabei gibt es eine bewährte Lösung: die „Aktienrente“, die auf dem schwedischen Modell basiert. Das Konzept ist einfach: Ein kleiner Teil der Rentenbeiträge – nur 2 Prozentpunkte – wird nicht mehr im maroden Umlagesystem versenkt, sondern in einen öffentlichen, global anlegenden Non-Profit-Fonds umgeschichtet. Es geht nicht darum, die gesetzliche Rente zu schwächen, sondern sie durch ein kapitalgedecktes Standbein zu stärken.
Der Wirtschaftswissenschaftler Martin Werding hat die Vorteile für Deutschland berechnet: Die Beiträge würden stabilisiert, anstatt zu explodieren, und gleichzeitig würden die Renten deutlich höher ausfallen. Ein Mindestlohnempfänger hätte im Alter 500 € pro Monat mehr, ein Durchschnittsverdiener sogar 1000 € mehr.
Trotzdem scheitert die Debatte in Deutschland oft an ideologischen Hürden. Begriffe wie „Casinokapitalismus“ und „Zockerrente“ werden genutzt, um das Konzept zu diskreditieren.
Das diese Begriffe nicht zutreffen, unterstrich auch Julia Goll, unsere Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Waiblingen, die wieder für die nächste Landtagswahl im März 2026 antritt.
Das klügste Risiko – Warum die Aktienrente langfristig sicherer ist
Die größte Sorge der Kritiker ist das Risiko von Börsencrashs. Doch dieses Argument ignoriert den Zeithorizont der Altersvorsorge. Vogel erklärt, dass Aktien zwar kurzfristig riskant sind, langfristig aber die sicherste Anlageform darstellen. Selbst wer zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt investiert hätte – etwa am Tag vor dem großen Crash von 1929 oder 2008 – hätte nach 15 bis 20 Jahren historisch betrachtet wieder Gewinne erzielt.
Zudem verfügt das schwedische Modell über eingebaute Sicherheitsmechanismen. Ein sogenanntes „Ablaufmanagement“ sorgt dafür, dass das angesparte Kapital älterer Einzahler schrittweise in sicherere Anlagen wie Anleihen umgeschichtet wird. So werden die über Jahrzehnte erzielten Gewinne vor dem Renteneintritt abgesichert.
Am Ende, so Vogel, steht ein philosophischer Punkt: Wer nicht daran glaubt, dass die stärksten Unternehmen der Welt in 30 Jahren mehr wert sein werden als heute, hat im Grunde das Vertrauen in die Innovationskraft und den Fortschritt der Menschheit verloren.
Fazit: Mehr Mut zum neuen Denken
Die Analyse ist eindeutig: Das deutsche Rentenproblem ist gravierend und wird durch kurzfristiges politisches Denken verschärft. Gleichzeitig liegt eine bewährte, realistische und für alle Generationen vorteilhafte Lösung auf dem Tisch. Die Weigerung, diese zu ergreifen, ist keine pragmatische, sondern eine ideologische Entscheidung.
Die eigentliche Frage ist daher nicht, ob eine Lösung existiert, sondern ob wir als Bürger bereit sind, diesen Weitblick von der Politik aktiv einzufordern. Es ist ein Test dafür, ob unsere Gesellschaft den Mut aufbringt, ideologische Reflexe zu überwinden und eine generationengerechte Entscheidung für unsere gemeinsame Zukunft zu treffen.
Text und Fotos: Joachim Kiessling